Brabus Big Boy: getunter Actros als Luxus-Wohnmobil
Der langsamste Brabus aller Zeiten
Zwar taugt der "Big Boy" allenfalls fürs Elefanten-Rennen auf der Kriechspur, und das Fahren hat einen mäßigen Reiz. Doch dafür hat das Stehen in einem Brabus noch nie so viel Spaß gemacht, wie dieses Mal.
Von null auf hundert in nie und nimmer, selbst bei Vollgas nur 90 Sachen, eine Straßenlage wie ein Ozeandampfer in schwerer See, und statt eine Handbreit über dem Asphalt in einer Carbonschale zu kauern, sieht man die Welt von einem luftgefederten Thronsessel aus in der Vogelperspektive – und das soll ein Brabus sein?
Na klar, und was für einer. Denn ausnahmsweise haben sich die Scharfmacher aus Bottrop diesmal nicht um AMG GT gekümmert, Mercedes SL, S- oder G-Klasse. Sondern sie haben sich Daimlers dickstes Ding vorgenommen und den Actros getunt. Und wo es ihnen sonst ums flotte Vorankommen geht, stand diesmal das Stehen im Vordergrund: Willkommen im Brabus Big Boy, dem ersten Wohnmobil aus Bottrop.
Brabus Big Boy: getunter Actros
Wobei "Wohnmobil" eine höfliche Untertreibung ist. Denn das, was Brabus da zusammen mit dem sonst zum Beispiel auf Renntransporter für Reitpferde spezialisierten belgischen Unternehmen STX Motorhomes auf über 30 Quadratmetern gezaubert hat, ist vom bürgerlichen Mief eines Marco Polo in etwa so weit entfernt wie die Präsidenten-Suite im Grand Hotel vom Stockbett in der Jugendherberge.
Willkommen im Brabus Big Boy, dem ersten Wohnmobil aus Bottrop.
Bild: Brabus
Wenn sich der Truck auf hydraulischen Stützen selbst nivelliert und danach auf Knopfdruck wie beim Origami elektrisch vier Slideouts ausfahren, entsteht ein Appartement, in dem es einem an nichts mehr fehlt: Mit Fingerabdruck oder einem Zahlencode öffnet sich die Tür, es geht eine Treppe nach oben, und man betritt einen Salon mit einer Sofalandschaft groß genug für eine ganz Rockband oder ein Rennteam. Vor der Sitzgruppe gibt es eine gourmettaugliche Küchenzeile, die kompletter und vor allem teurer ist als in den meisten Privathäusern – samt Geschirrspüler, Weinkühler, Gefrierschrank und Backofen.
Privatgemächer mit Bad, Regenwalddusche und Co.
Und dahinter geht es in die Privatgemächer: Erst durch ein Bad mit einem riesigen Waschtisch links, einer Regenwalddusche und einem separaten WC rechts und dann in ein Schlafzimmer, das als diskrete Spielwiese oder riesige Ruhezone taugt und trotz des gewaltigen Doppelbetts noch genügend Bewegungsfreiheit für gymnastische Übungen aller Art bietet – egal, ob allein beim Yoga oder im romantischen Paarlauf. Und damit dabei die Privatsphäre gewahrt bleibt, surren integriert in der Doppelverglasung auf Knopfdruck garantiert staubfreie Jalousien auf und nieder.
Dazu gibt's jede Menge Hightech für Unterhalt und Unterhaltung: Solarlamellen auf dem Dach und ein Generator im Tiefparterre sorgen immer und überall für Strom. Es gibt Standheizung und Klimatisierung, Frischwasser für einen ganzen Badeurlaub. Starlink holt selbst im hintersten Winkel Afrikas oder mitten in der deutschen Digital-Diaspora das Internet an Bord, und mit seinen zwei 43-Zoll-Bildschirmen wird der Big Boy zum Kino auf Rädern oder zur Spielothek in der Steppe.
Bei so viel Platz im Innenraum fällt das gewaltige Doppelbett fast nicht auf.
Bild: Brabus
Und auch wenn es den Bodybuildern aus Bottrop diesmal eher ums Stehen als ums Fahren geht, hat Brabus seine Kern-Tugenden nicht vergessen: Natürlich macht der Truck mit Anbauteilen aus Carbon, Chrom und LED mächtig was her, steht auf besonderen Designerrädern und hat statt des Sterns ein rot leuchtendes Brabus-Logo. Und genau wie in der S- oder der G-Klasse sitzt auch der Fahrer in einer nach hinten offenen Luxuslounge aus Lack und Leder, in der sein Blick über Zierteile aus Carbon schweift. So wird der Actros gar vollends zum Traum aller Trucker.
Sechszylinder mit 12,8 Litern Hubraum
Nur vom Antrieb haben sie ausnahmsweise die Finger gelassen. Aber bei einem Sechszylinder mit 12,8 Litern Hubraum, 530 PS und 2600 Nm Drehmoment war der Handlungsbedarf da jetzt auch eher gering. Zwar mag der Big Boy schon von Gesetz wegen der langsamste Brabus aller Zeiten sein, unterboten nur noch vom Unimog aus ganz frühen Jahren, den sich Firmengründer Bodo Buschmann einst als Spielzeug gebaut hat. Doch ist das Fahren deshalb nicht minder faszinierend.
Denn genau wie man mit einem Brabus Rocket die Welt aus den Angeln zu heben scheint, fühlt man sich auch am Steuer des Big Boy wie der King of the Road. Schließlich braucht es nicht viel mehr als ein Fingerschnippen und ein Zucken mit dem kleinen Zeh – sowie die Nebensächlichkeit von gut und gerne 40 Litern Diesel auf 100 Kilometer –, um einen Koloss von über 30 Tonnen zu bewegen. Und egal wie wütend ein Sportauspuff am hauseigenen Achtzylinder etwa in der G-Klasse auch brüllen und bellen mag, geht nichts über das Grollen eines mächtigen Diesels und das Zischen der Druckluftbremse, das ihm beim Ankommen wie eine königliche Fanfare das gebührende Entree verschafft.
Solarlamellen auf dem Dach und ein Generator im Tiefparterre sorgen immer und überall für Strom.
Bild: Brabus
So mühelos wie sich der Big Boy in Bewegung setzt, so leicht lässt er sich auch auf Kurs halten. Natürlich braucht es bei zwölf Metern Länge, 2,50 Metern Breite und vier Metern Höhe etwas mehr Umsicht als üblich, und ein bisschen Weitblick kann bei einem für Brabus eher ungewöhnlich langen Bremsweg auch nicht schaden. Doch die Kameraspiegel öffnen dem Fahrer die Augen, und eine Rückfahrkamera hilft beim Rangieren. Nach zwei, drei Platzrunden hat man deshalb schnell den Bogen raus.
Nur auf der Autobahn lässt die Begeisterung mit der Beschleunigung natürlich nach, und es schmerzt die gemeine Brabus-Kundschaft, wenn selbst eine Basis-B-Klasse am Big Boy vorbeizieht und man noch so fest aufs Pedal steigen kann, ohne dass der Tacho irgendwie über 90 zu bringen wäre. Statt zum Prestige-Duell in der Boxengasse reicht es hier nur zum Elefantenrennen auf der Kriechspur.
1,5 Millionen Euro kostet der Spaß
Doch wirklich stören wird sich daran kaum einer. Denn wer sich diesen Luxus leistet – immerhin kostet der Big Boy 1,5 Millionen Euro und ist damit locker zehnmal so teuer wie ein gewöhnlicher, weil gewerblicher Actros –, der ist entweder selbst Herr seiner Zeit und kennt keine Eile mehr. Oder der hat das passende Personal, das den Big Boy dort bereitstellt, wo ihn die Eigentümer brauchen. Und das wird wohl weniger auf Campingplätzen sein, als am Rande von Reit- oder Tennisturnieren, am Filmset oder im Fahrerlager hoch dotierter Autorennen, schätzt Brabus und berichtet bereits von den ersten Verkäufen für genau solche Zwecke.
Und während die (Im)Mobilie auf der Kriechspur ans Ziel rollt, kommen die Besitzer im besten Fall natürlich mit einem andren Brabus auf der Überholspur hinterher und sind am Ende trotzdem vorher da. Auswahl genug für solche exklusiven Überholmanöver haben sie in Bottrop ja.