Kanzleramtschef Frei im BILD-Interview : Grundsicherung? Wer arbeiten kann, muss arbeiten

Kanzleramtschef Frei im BILD-Interview : Grundsicherung? Wer arbeiten kann, muss arbeiten

Quelle: BILD

Er ist der engste Vertraute von Kanzler Friedrich Merz (69, CDU): Kanzleramtsminister Thorsten Frei. Im Interview spricht er über die Arbeitsmoral der Bürger, Streit in der neuen Koalition und Grenzkontrollen.

BILD: Der Bundeskanzler fordert, dass die Bürger mehr arbeiten sollen. Bedeutet das 40-Stunden-Arbeitszeit und das Ende der Vier-Tage-Woche in Deutschland?

THORSTEN FREI: Nein. Wir alle müssen aufpassen, dass wir vor lauter Work-Life-Balance nicht die Arbeit aus dem Blick verlieren. Ungeachtet der Tatsache, dass es bei uns viele Menschen gibt, die sehr leistungsstark sind und sich reinhängen, ist die Pro-Kopf-Arbeitszeit der Deutschen in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach unten gegangen. Die Schweizer arbeiten pro Kopf etwa 200 Stunden mehr als wir Deutschen. Darüber muss man sich schon Gedanken machen, wenn wir übers Wirtschaftswachstum sprechen.

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (51, CDU)  ist enger Vertrauter von Kanzler Merz – er managt dessen Politik

Kanzleramtsminister Thorsten Frei (51, CDU) ist enger Vertrauter von Kanzler Merz – er managt dessen Politik

Foto: Niels Starnick/BILD

Bedeutet das dann auch höhere Löhne?

Wenn man sich anstrengt, dann muss man auch etwas davon haben. Das haben wir ja auch im Koalitionsvertrag aufgeschrieben, wenn Sie etwa an die Steuerfreiheit der Überstundenzuschläge oder an die Aktivrente denken. Wenn jemand, der das gesetzliche Renteneintrittsalter erreicht hat, trotzdem weiterarbeitet, freiwillig, soll er die ersten 2000 Euro im Monat steuerfrei behalten können. Also: Wir wollen ja gerade, dass die, die sich anstrengen, auch wirklich etwas davon haben.

Thorsten Frei (v.l.) empfing die BILD-Redakteure Florian Kain und Burkhard Uhlenbroich in seinem neuen Büro im Kanzleramt

Thorsten Frei (v.l.) empfing die BILD-Redakteure Florian Kain und Burkhard Uhlenbroich in seinem neuen Büro im Kanzleramt

Foto: Niels Starnick/BILD

Glauben Sie, dass SPD und Gewerkschaften Ihre Pläne mitmachen?

Alles, was ich eben angesprochen habe, bezieht sich auf die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Aber wir wollen gemeinsam mehr erreichen – und das setzt natürlich voraus, dass wir ein gemeinsames Verständnis von erfolgreicher Politik entwickeln und davon, wie Deutschland aus der Rezessionsspirale herauskommt.

Wie möchten Sie bei jungen Leuten ansetzen, denen Work-Life-Balance immer wichtiger wird?

Ich bin weit davon entfernt, anderen erklären zu wollen, wie sie ihr Leben führen sollen. Ganz im Gegenteil, ich bin ein großer Anhänger der Freiheit – die Menschen müssen solche Entscheidungen selbst treffen. Menschen haben unterschiedliche materielle Bedürfnisse. Die einen brauchen mehr, die anderen benötigen gar nicht so viel, aber nutzen die Zeit vielleicht gerne irgendwie anders. Wir sind ein freiheitliches Land und deswegen muss jeder grundsätzlich so leben können, wie er das möchte. Aber es ist eben wichtig: nicht auf Kosten anderer! Und das bedeutet für mich beispielsweise beim Thema neue Grundsicherung, dass diejenigen, die arbeiten können und gesund sind (...) für dieses Einkommen auch arbeiten müssen. Das muss der absolute Normalfall sein.

Was der Minister meint: Der Staat sollte für Stütze eine Gegenleistung erwarten dürfen, mindestens also Kooperation mit dem Jobcenter. Und wer gesund ist und trotzdem jede Arbeit ablehnt, sollte nicht nur eine Kürzung bekommen, sondern gar keine Leistung.

Es gibt schon ersten Streit in der neuen Koalition. Geht es weiter wie in der Ampel?

Nein, es wird nicht so weitergehen. Und ich würde da auch gar nicht von Streit sprechen. Also, wenn etwa Frau Bas eine persönliche Auffassung äußert, so wie sie es in der Vergangenheit ja auch gemacht hat, dann ist das nicht der Zusammenbruch des Abendlandes. Ich finde, das muss man generell Regierungsmitgliedern auch zugestehen. Am Ende treffen wir gemeinsam Vereinbarungen. Am Ende raufen wir uns auch zusammen, wenn es notwendig ist.

Sollte sich die Koalition ein Streitverbot auferlegen für die ersten 100 Tage der Regierung?

Nein, wir arbeiten sehr gut zusammen, dafür brauchen wir kein Streitverbot. Klar ist, am Ende kommt es auf das Gesamtbild an. Da spielen auch die Regierungsfraktionen und die Parteien eine wichtige Rolle. Aber die müssen natürlich auch den Raum haben, ihre eigenen Punkte machen zu können. Das sind keine Abnick-Vereine, das sind selbstbewusste Kolleginnen und Kollegen – und das ist auch vollkommen richtig so.

CSU-Chef Markus Söder will, dass das Bürgergeld bis zum Sommer reformiert wird. Bekommen Sie das hin?

Ich bin sehr dafür, dass wir uns durchs Handeln auszeichnen. Trotzdem muss es so sein, dass wir erstens in der Koalition vernünftig über alle Punkte reden und dann auch dem Parlament – und da meine ich ausdrücklich nicht nur die Regierungsfraktionen, sondern auch die Opposition und auch den Bundesrat – genügend Zeit und Raum lassen, damit die ihre Arbeit vernünftig machen können.

Das hört sich eher nach 2028 an ...

Wir werden die Dinge so ausgestalten, dass wir sehr zügig zu Ergebnissen kommen. Und wir haben uns vorgenommen, dass wir zunächst einmal die Zeit bis zur parlamentarischen Sommerpause in den Blick nehmen, um in wesentlichen Bereichen wichtige Akzente setzen.

Thorsten Frei hat in seinem Büro Ausblick auf Fernsehturm und Reichstag

Thorsten Frei hat in seinem Büro Ausblick auf Fernsehturm und Reichstag

Foto: Niels Starnick/BILD

Gegen die härteren Grenzkontrollen gibt es Kritik von unseren Nachbarn. Werden die Maßnahmen trotzdem fortgesetzt?

Wir halten Binnengrenzkontrollen nicht dauerhaft für der Weisheit letzter Schluss. Wir machen das, weil der europäische Außengrenzschutz heute nicht funktioniert, wie wir uns das eigentlich immer vorgenommen haben.

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